Bitte an die Lehrer in der Corona-Zeit

Liebe Lehrer,
für uns alle ist diese Corona-Zeit etwas Besonderes und eine große Herausforderung. Die meisten von uns müssen mit völlig neuen Begebenheiten zurechtkommen. Das betrifft auch Schüler, Lehrer und Eltern. Mir ist bewusst, welch große Aufgabe Ihnen/Euch vorliegt, Kinder zu unterrichten, die alle zu Hause sind. Jeder Lehrer hat dafür seine eigene Taktik und manche recht gute Ideen. Was vielen jedoch nicht bewusst ist, dass zu Hause nicht die Schule ist und es dort schwierig ist, alles umzusetzen.
Deshalb möchte ich Ihnen/Euch zeigen, wie es auf der anderen Seite aussieht und hoffe und wünsche, dass Sie das berücksichtigen.
(Ich merke gerade, dass es schwierig ist, Sie und Ihr gleichzeitig im Text unterzubringen. Bitte sehen Sie es mir nach, dass ich ab jetzt Sie nur noch duze. Das heißt nicht, dass ich kein Respekt vor Ihnen habe, sondern dass ich von Angesicht zu Angesicht mit Ihnen rede. Und natürlich der Text leserlicher wird ;-))

Wie unterschiedlich die Lehrer mit der Corona-Krise umgehen

Für alle, die meine Seite sonst nicht so kennen, möchte ich kurz anmerken, dass ich vier Kinder habe. Drei davon gehen zur Schule, und zwar in die sechste, zehnte und elfte Klasse. Ich habe aber auch mit Eltern gesprochen, deren Kinder zum Beispiel in die Grundschule gehen. Dadurch sehe ich, wie groß die Unterschiede zwischen jedem einzelnen Lehrer sind.

Kurz möchte ich hier die Unterschiede aufzählen, die mir so aufgefallen sind:
  • Manche Lehrer geben den Kindern eine Liste mit Aufgaben, die bis zum Ende der Corona-Zeit gemacht werden müssen.
  • Andere geben die Aufgaben für ein oder zwei Wochen.
  • Einige Lehrer geben die Aufgaben jeweils für eine Unterrichtsstunde, beziehungsweise für einen Unterrichtsblock.
  • Die einen wollen die Ergebnisse dann sehen, wenn alle wieder in der Schule sind, andere lassen sich die Schularbeiten zuschicken und überprüfen diese.
  • Manche Lehrer schicken zur nächsten Unterrichtsstunde die Ergebnisse, damit die Kinder sich selbst überprüfen können.
  • Es gibt Lehrer, die schreiben: "Macht Euren Hausunterricht so, wie Euer Stundenplan ist."
  • Ein Lehrer hat sogar vorgeschrieben, dass die Kinder jeden Tag um elf Uhr ein YouTube-Live-Stream mit Sport ansehen und mitmachen sollen.
  • Andere Sportlehrer geben Übungen auf, die jeden Tag vor und nach den Schularbeiten gemacht werden sollen. An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass es kurze Übungen sind, bei denen sämtliche Körperpartien bewegt werden.
  • Es gibt Lehrer, die Kontakt zu den Kindern und Eltern halten.
  • Von anderen Lehrern hört und liest man nichts, nicht einmal Aufgaben.
  • Manche Lehrer sind kreativ und hören zum Beispiel ein Gedicht ab, in dem es per Video aufgenommen wird.
  • Es gibt auch Lehrer, die sogar eigene YouTube Videos erstellen und dort den Unterrichtsstoff erklären.
Ich habe bestimmt nicht alles aufgezählt, doch die Liste zeigt deutlich, welch große Unterschiede es gibt. Vielleicht können die Eltern, die hier mitlesen unten in die Kommentare schreiben, was noch für Methoden von den Lehrern angewandt werden.

Wie die Situation zu Hause aussieht

Ich glaube, dass sehr viele Lehrer nicht verstehen, wie die Situation zu Hause ist und welche Probleme dort auftauchen. Sehr oft lese ich von den Lehrern, dass die Schüler ja in der Schule auch so viel machen würden, doch ihnen ist nicht klar, dass Schule und dass das Zuhause in dieser Zeit nicht das Gleiche sind. Das möchte ich Euch an dieser Stelle bewusst machen:

Wir tun so, als wäre Schule
In der Schule werden die Schüler durch einen strukturierten Tag geleitet. Zu Hause müssen sie sich eine eigene Struktur aufbauen. Das haben sie bisher nicht gelernt und nein, sie können sich nicht am Stundenplan orientieren. Die Lehrer geben ihre Aufgaben an irgendeinem Tag, oft auch zu einer bereits zurückliegenden Stunde. Oder es wird vorgeschrieben, dass jeden Tag etwas für diese Stunde getan wird. Oder es gibt keine Aufgaben.
Also keine Orientierung am Stundenplan.

Kinder lernen alles alleine
In der Schule wird den Kindern vieles erklärt. Jetzt sollen sie sich das selbst erarbeiten. Gerade in den niedrigeren Klassen sind die Schüler damit überfordert. Und nein, die Eltern können nicht die Lehrer ersetzen. Sie müssen entweder arbeiten und/oder sie wissen nicht alles.
Ganz ehrlich selbst wenn das Kind kluge Eltern hat und die auch noch den ganzen Tag Zeit haben, mit dem Kind die Schularbeiten zu machen. Die Eltern können nicht von allen Fächern alles wissen. Lehrer wissen auch nicht alles von allen Fächern.

Der Stoff einer Unterrichtsstunde
Häufig werden Aufgaben vergeben mit dem Hinweis: "Das ist in einer Unterrichtsstunde/Blockstunde zu schaffen!"
Nein, liebe Lehrer, ist es häufig nicht. Wenn die Schüler die Ergebnisse bereits kennen und einfach nur ausfüllen müssen, dann ist es zu schaffen. Doch die Kinder müssen sich erst einmal informieren, nach Eltern, Websites und YouTube Videos suchen, um das Thema zu verstehen. Das kostet Zeit. Manchmal sogar richtig viel.
Ich spreche hier mal als Autorin: Wenn ich für einen Kunden zu einem Thema schreiben soll, in dem ich mich nicht so gut auskenne, verbrauche ich die meiste Zeit damit, mich darüber zu informieren. Und ich weiß, wo ich nach sinnvollen Informationen suchen muss, die Kinder oft nicht.

Motivation
Die Kinder haben einen Stapel Aufgaben vor sich liegen und müssen sich selbst motivieren, diese zu erledigen. Ich glaube, dass das sehr unterschätzt wird. In der Schule ist die feste Struktur durch die Unterrichtsstunden. Außerdem haben die Schüler andere Schüler, um sich mit ihnen auszutauschen. Wenn die Kids mal keinen Bock haben, werden sie von den Lehrern ein wenig angeschoben.
Doch zu Hause sitzen sie vor ihren Aufgaben und wissen, wenn ich sie jetzt nicht mache, dann stapeln sie sich noch mehr auf. Doch das reicht nicht an Motivation. Und auch hier der Hinweis: Viele Eltern können nicht dahinter stehen und die Kinder unterstützen.

Das Umfeld
Die Schule ist dafür ausgestattet eine gute Lernumgebung den Kindern zu geben. Die Kinder lernen alle in einer Unterrichtsstunde das Gleiche. Sie haben dort Ruhe (ich weiß, nicht immer), wenig Ablenkung und keine kleinen nervigen Geschwister, die dazwischen herumspringen.
Ich spreche jetzt nur mal von unserem zu Hause: Wir haben eine feste Zeit von drei Stunden, in der die Kinder selbstständig die Schulaufgaben erledigen. In dieser Zeit beschäftige ich intensiv den Kleinen, damit die anderen ungestört sind. Ich kann Euch sagen, dass das nicht leicht ist, weil der Kleine seine Brüder sehr mag und ständig ihnen irgendwas zeigen oder sagen möchte. Nachmittags kläre ich sämtliche Schulfragen der Kinder und helfe ihnen da, wo sie Probleme haben. ... Ach hatte ich erwähnt, dass ich auch von zu Hause aus arbeite? ... Meine eigene Arbeit quetsche ich in den frühen Morgen und in den Abend.
Andere Eltern haben ein ähnliches Problem sie sind jetzt Lehrer, Erzieher und müssen gleichzeitig ihre Arbeit schaffen. HomeOffice heißt nicht, dass wir unendlich viel Zeit für die Kinder haben.

Mein aktueller Stand
Es sind jetzt 1 1/2 Wochen rum und ich bin jetzt schon erschöpft. Ich weiß nicht, wann ich Zeit für mich einplanen kann. Ich stehe morgens schon müde auf und falle abends völlig erschöpft in den Schlaf. Ich bemühe mich nicht einmal, den Kindern zu sagen, dass sie ins Bett gehen sollen. Ich bin die Erste die "Gute Nacht!" sagt, im Bett liegt und schläft. Und für die, die sich jetzt fragen, was mit dem Kleinen ist. Der kommt entweder mit mir mit oder folgt mir kurze Zeit später.
Das Ende der Corona-Pandemie ist noch lange nicht abzusehen und ich frage mich, wie ich das durchhalten soll, ohne dass meine Kinder in der Schule später hinterherhinken.

Was ich an manchen Lehrern toll finde

Ich schreibe das hier alles, weil ich möchte, dass Ihr Lehrer die Situation zu Hause versteht. Ich kann Euch keine Lösungen anbieten, doch vielleicht habt Ihr die eine oder andere gute Idee.
Bei manchen Lehrern kann ich schon sehen, dass sie sich sehr viele Gedanken machen. Somit möchte ich hier auflisten, was meiner Erfahrung nach gut ist:
  • Ich finde gut, wenn die Lehrer zu den Schülern wenigstens etwas Kontakt halten. Manche sind da wirklich toll und gehen auch auf die entstehenden Problematiken ein.
  • Bitte setzt den Kindern, vor allem in den niedrigeren Klassen eine Timeline. Das ist für sie eine bessere Orientierung, als der nicht vorhandene Stundenplan.
  • Wenn die Kinder die Aufgaben abgeben müssen und eine Rückmeldung bekommen, ist es ideal. Ich weiß, dass das für die Lehrer viel Arbeit bedeutet, doch es ist wichtig, dass die Kinder schnell merken, ob sie etwas richtig verstanden haben.
  • Einer unserer Lehrer hat den Schülern Sportübungen gegeben, das finde ich sehr gut. Die Kids haben sowieso schon viel zu wenig Bewegung und ein paar kleine Übungen werden von ihnen gut angenommen.
  • Damit die Kinder nicht die Motivation verlieren, ist Abwechslung und auch etwas Humor angebracht. Manche Lehrer erstellen ja eigene Videos, andere geben zum Beispiel einen Umfrage in die Gruppe oder fragen nach Ideen zur Problemlösung die Kinder. Damit haben sie nicht das Gefühl, der Situation hilflos ausgesetzt zu sein.

Zur Verdeutlichung

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal verdeutlichen, dass ich keinem Lehrer seine Arbeit vorschreiben möchte. Es geht mir darum, dass die Situation zu Hause verstanden wird und wir aufeinander zugehen. Ich freue mich sehr darüber, wenn die Lehrer hier auch von ihrer Situation schreiben. Mir ist bewusst, dass es für viele auch nicht einfach ist und manche selbst Kinder nebenbei zu Hause betreuen. Wenn hier jeder erzählt, welche Problematiken auftreten, können wir besser auf einander eingehen. Und natürlich können hier auch Ideen ausgetauscht werden, von denen jeder sich etwas herausnehmen kann.

Ich bin schon sehr gespannt auf Eure vielen Antworten.
Lieben Gruß Eure